Finissage

"Wir sind keine Elite-Ausbildungsstätte."

"Von Unikaten & Unikötern" sagt zum Abschied leise "Servus" und geht nach zwei Jahren offline. In diesem letzten Beitrag resümiert ccf-Ausbildungsleiterin Esther Hufschmid, wie sich das Leben und Arbeiten mit Hund in dieser Zeit verändert hat und warum es wichtig ist, dass cumcane familiari auch in Zukunft für ein breites Spektrum an Teilnehmenden offen bleibt.

Esther, wir haben vor zwei Jahren ein Auftakt-Interview zu diesem Blog gemacht. Hat sich die Welt für Hunde und ihre Halter seither verändert, vielleicht sogar verbessert?

Ich finde diese Frage schwierig zu beantworten, ich überblicke ja nicht die gesamte „Szene“. Wenn ich mich auf meine subjektiven Eindrücke verlasse, so sehe ich öfters Menschen, die ihre Hunden am Brustgeschirr und nicht am schmalen Halsband führen, ich treffe häufiger Hundehaltende, die nicht nur ihr Handy sondern auch ein paar Gutzis und ein Spielzeug für den Hund auf dem Spaziergang mit dabei haben... ;-), ich beobachte Bezugspersonen, die ihren Hund freundlich ansprechen und nicht im Kasernenton rumkommandieren – aber ob das repräsentativ ist – ich weiss es nicht... Ich bin jedoch überzeugt, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Es gibt nach wie vor viel zu tun. Packen wir’s an!

 

Was waren deine persönlichen Highlights?

Bezogen auf die Blogartikel kann ich das nicht sagen. Ich finde, jeder Text hat etwas Einzigartiges und fokussiert einen wichtigen Aspekt im Bereich Hundehaltung.

Bezogen auf mich persönlich war in den letzten 2 Jahren das Ankommen und Einleben von Nayeli in unsere Familie etwas, das mein Herz immer wieder berührt hat und auch noch täglich berührt. Es ist und war so eindrücklich zu beobachten, wie sich dieses kleine Häufchen Angst zu einem neugierigen, am Leben interessierten und gut gelaunten Hundemädel entwickelt hat.

Ein politisches Ereignis, das für einige Diskussion gesorgt hat, war die Abschaffung des erst 2008 eingeführten obligatorischen SKN durch das Bundesparlament im September 2016. Dass ein Mindeststandard an Wissen Hund, Halter und dem verantwortungsbewussten Miteinander aller zuträglich sind, daran besteht ja kein Zweifel. Was ist also schief gegangen und ist die obligatorische Schulung damit ein für allemal vom Tisch?

Was schief gegangen ist... hm... dazu müsste ich den Politikern und Politikerinnen in Bundesbern in den Kopf gucken können. Es ist für mich auch heute rational noch immer nicht nachvollziehbar, weshalb das Obligatorium abgeschafft wurde. Ohne Zweifel gab’s beim SKN Verbesserungspotenzial. Dass nicht zuerst nachgebessert, sondern direkt abgeschafft wurde – dahinter vermute ich irgendwelche Profilierungsasneurosen von Politikern ... Glaubwürdigkeit in der Politik stellt sich für mich auf jeden Fall anders dar...

Eine obligatorische Schulung auf nationaler Ebene ist für die nächste Zeit wohl vom Tisch, nehme ich an. Was auf kantonaler Ebene diesbezüglich noch entschieden werden wird, das kann ich nicht sagen. Meine Nachfrage bei allen Veterinärämtern der Deutschschweiz im Frühling hat nichts Neues ergeben. Inzwischen ist durch den Verband Kynologie Ausbildungen Schweiz VKAS ein Kurs in Theorie und Praxis auf freiwilliger Basis entwickelt worden. Ob und wie sich dieses Nationale Hundehalterbrevet am Markt durchsetzt, das wird die Zukunft zeigen. Ebenfalls zeigen wird sich, ob es Kantone gibt, die diesen Kurs für obligatorisch erklären werden.

 

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Initiativen und Zusammenschlüssen von Trainerinnen und Trainern, die sich gegen aversives Training engagieren und die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren. Zeigt dieses Engagement Wirkung in Form von einem grösseren Interesse an einer ccf-Ausbildung?

Die Leute sind kritischer geworden – ich merke das u.a. an Fragen, die von Interessentinnen zur Ausbildung gestellt werden. Ich höre auch oft die Rückmeldung, dass ccf explizit wegen der Art, wie wir die Trainingslehre umsetzen, gewählt wird. Unsere Basisfachausbildung ist nach wie vor gefragt – unabhängig von der Abschaffung des SKN – und die ccf-Hundeschulen sind gut gebucht. Von daher würde ich die Frage bejahen.

Kommt es vor, dass sich eine schon länger mit Klapperdose und Leinenruck tätige Trainerin oder ein langjähriger Trainer für den nonaversiven Weg entscheidet? Und was vermutest du, sind die ausschlaggebenden Gründe hierfür?

Der Mensch ist ja bekanntlich nie zu alt, um umzulernen oder Neues zu lernen.

Ja, es kommt immer wieder vor, dass wir sogenannte Crossover Menschen und Hunde in der Ausbildung haben. Oft liegt die Motivation für den Richtungswechsel bei Erfahrungen mit dem eigenen Hund – aversive Techniken bringen das Team nicht weiter – oder aber die Menschen werden sich der Nebenwirkungen von Strafen im Hundetraining bewusst und wollen explizit einen anderen Weg einschlagen.

 

Trotz aller Aufklärung pilgern aber immer noch Tausende in die Show eines Cesar Millans, und er ist ja nur das bekannteste Gesicht einer Trainingsideologie, die auf Gewalt nicht verzichten will und kann. Wie erklärst du dir diesen anhaltenden Erfolg bei den Fans?

Er ist ein Entertainer, macht eine gute Show und seine Argumente klingen aus menschlicher Sicht ja auch im ersten Moment plausibel. Und er bietet schnelle Lösungen! Das ist etwas, was verführerisch wirkt und in unseren Zeitgeist passt: Viel und schnell und möglichst billig!

 

Die von ccf vermittelte Trainingsmethodik basiert auf modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Hund in all seinen Facetten. Warum wird darauf grossen Wert gelegt und inwiefern besteht hier ein Zusammenhang mit einem wirksamen Training?

Wir richten uns weniger nach modernen wissenschaftlichen, sondern nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus. Aktuell ist beispielsweise auch eine Erkenntnis, die bereits seit über Jahrzehnten Bestand hat. Denn im Konkreten bedeutet das, dass sie sehr oft in der Welt der Wissenschaft überprüft und bisher nicht falsifiziert – also als falsch entlarvt – wurde. Das ist der Geist der Wissenschaft. Ob etwas modern ist spielt dabei keine Rolle. Sobald Theorien und Konzepte (sprich: Antworten auf Fragen, zu denen geforscht wurde) veröffentlicht werden, hat jede Person das Recht, diese zu überprüfen. Sind die Aussagen oder Annahmen falsch, wird die Theorie in der Praxis scheitern.

Wissenschaft unterliegt also einer ständigen Selbstkontrolle. Das führt natürlich auch dazu, dass Wissenschaft im Fluss ist und auch immer wieder neue Ergebnisse erbracht werden. Wenn wir als Bezugsperson oder als Trainerin Verantwortung für ein Tier übernehmen, dann müssen wir wissen, was wir da tun. Deshalb stützen wird unsere Arbeits- und Trainingsgrundlage auf bewiesenes bzw. nicht falsifiziertes Wissen ab.

Neben Arbeit für cumcane familiari hast du selbst seit 12 Jahren eine eigene Hundeschule. Gibt es etwas, eine Erfahrung, eine Erkenntnis, eine Entdeckung, die dich in deiner Arbeit mit Hunden oder als Inhaberin und Ausbildungsleiterin ccf wieder einen Schritt weitergebracht hat?

Ich habe dieses Jahr einen persönlichen Weiterbildungsfokus bei den Markersignalen gesetzt: Von den einfachen über das generalisierte bis zu differenzierenden Markersignalen - es ist so spannend und immer wieder eindrücklich, wie unkompliziert und wie effektiv die Trainingsarbeit mit Markersignalen ist.

 

Inwiefern und aus welchem Grund hat sich das Aus- und Weiterbildungsangebot von ccf in den vergangenen zwei Jahren verändert?

Stillstand heisst Rückstand! Einer unserer Leitgedanken ist die kontinuierliche Selbstreflektion und Evaluation unserer Bildungsarbeit.

Da ist es unvermeidlich, dass sich Herangehensweise, Inhalte und Methoden, mit denen wir Wissen vermitteln, verändern und sich neuen Gegebenheiten und neuen Möglichkeiten anpassen. Im pädagogischen Team drehen wir permanent kleinschrittig an Stellschräubchen, um so einen kontinuierlichen Optimierungs- und Entwicklungsprozess unserer Arbeit zu gewährleisten.

(Foto: Sarah Koop)
(Foto: Sarah Koop)

Welche Erfahrungen hat die Ausbildungspraxis der vergangenen Jahre hinsichtlich des Selbstverständnisses von ccf gebracht?

Wichtig ist für uns, dass wir auch weiterhin für ein breites Teilnehmenden-Spektrum offen sind. Wir wollen und werden auch nie eine „Elite-Ausbildungsstätte“ sein, also für wenige Interessentinnen eine teure Ausbildung anbieten. Ich höre immer mal wieder, dass ccf strengere Aufnahmebedingungen stellen muss – zB. nur Teilnehmende aufnehmen, die Vollzeit Hundeschule anbieten – oder strengere Abschlusskriterien erstellen und weniger Teilnehmende die Schlussprüfung bestehen lassen darf. Denn wenn auch weniger talentierte Menschen die Zertifizierung erlangen würden, würde das unserem Ruf und unserer Glaubwürdigkeit schaden. Dazu ist zu sagen, dass wir für unsere Abschlussverfahren ganz eindeutig Kriterien auf den Stufen „ungenügend“ bis „mustergültig“ definiert haben. Erfüllt jemand diese Kriterien auf der Stufe „erreicht“, dann ist er zertifiziert! Punkt!

Hinter solchen Elite-Erwartungen steht erstens ein anderes Verständnis von Bildung und Förderung von Auszubildenden und zweitens wird ausser acht gelassen, dass die Gauß’sche Kurve auch für „Elitegruppen“ gilt. Das heisst, werden die Kriterien erhöht oder verschärft, verschiebt sich diese Glockenkurve einfach mit. Es gibt dann auch in diesen Spezialistengruppen wieder diejenigen, die sich tendenziell am linken Rand (= leistungsschwächere Teilnehmende) beziehungsweise am rechten Rand (= leistungsstärkere Lernende) der Normalverteilung bezogen auf den Mittelwert bewegen. cumcane familiari setzt auf eindeutig definierte Kriterien in Kompetenznachweisen und Abschlussverfahren, auf Förderung auch von leistungsschwächeren Menschen und vor allem auf kollegiale Unterstützung, Weiterbildung oder gegenseitige Praxisbesuche im Rahmen des Netzwerks ccf.

Welche Ziele verfolgen du und dein Leitungsteam in den nächsten zwei Jahren, was ist deine/eure Vision für cumcane familiari?
Unsere Organisationsziele leiten sich ab aus der Vision, dass cumcane familiari eine der führenden Bildungsorganisationen in der Ausbildung von Ausbildenden im Bereich Hundehaltung in Bezug auf qualitativ hochstehende und umfassende Angebote mit hoher Durchlässigkeit ist. cumcane familiari soll gut vernetzt, eigenständig und innovativ sein. Konkret heisst das, wir werden

- in naher Zukunft weiter neue Angebote im Bereich Aufbaulehrgänge anbieten.

- den Bereich Blended Learning bzw. integriertes Lernen ausbauen mit dem Ziel, die Praxisarbeit im Präsenzunterricht noch mehr gewichten zu können und so die Handlungskompetenzen der Teilnehmenden noch besser zu fördern.

- das Weiterbildungsangebot im Netzwerk kontinuierlich weiter ausbauen und wenn immer passend die Seminare auch für interessierte Hundehalter öffnen.

- zertifizierten Trainerinnen und Trainern mit dem Netzwerk die Grundlage und Möglichkeit bieten sich zu vernetzen, gegenseitig von einander zu profitieren, sich zu unterstützen mit kollegialem Feedback und so die Qualität der Bildungsarbeit im Bereich Hundehaltung ständig weiter zu entwickeln.

- Ausbildende und Coaches wo möglich in Organisationsentwicklungsprozesse einbinden und involvieren. Denn ccf lebt nicht zuletzt auch von engagierten Mitarbeitenden, die sich mit der Organisation identifizieren und als Mulitiplikatorinnen unser Lehr- /Lernverständnis und die Trainingsgrundlage nach aussen vertreten und vermitteln.


Das Redaktionsteam "Von Unikaten & Unikötern" dankt allen Leserinnen und Lesern für ihre Aufmerksamkeit und wünscht allen viel Freude daran, beruflich und privat "auf den Hund gekommen" zu sein.

Martina Monti


Esther mit Nayeli
Esther mit Nayeli

Esther Hufschmid, Ausbildungsleiterin cumcane familiari und Leiterin Hundeschule Hundart Luzern, www.hundart.ch

  • Meine Hunde heissen: Nayeli und Laska (im Herzen)
  • Mein Motto im Umgang mit Hunden: Mit Herz, Verstand und jeder Menge Spass
  • Der Film, in dem mein Hund die Hauptrolle spielen würde, hätte den Titel: Eine Heldin auf 4 Pfoten
  • Ein Lieblingsbuch zum Thema Hund: "Liebst du mich auch?" Die Gefühlswelt bei Hund und Mensch von Patricia B. McConnell
  • Was ich an meinem Hund besonders liebe/bewundere: Ihren Mut und ihre Neugier
  • Mein erster Hund war ein Spitzmischling aus dem Tierschutz namens Mäx

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