Sie lieben den Imperativ, und wenn wir sie unwidersprochen gewähren lassen, dann treiben sie uns über kurz oder lang in Dauerfrust, Stress und Überforderung. Aber wir können die inneren Antreiber "entschärfen". Und so auch wieder von ihren positiven Eigenschaften profitieren.
Die Ausbildnerin Ronja Dynamo ist eine engagierte Hundetrainerin mit eigener Hundeschule. Als freiberufliche Referentin ist sie zu unterschiedlichen Themen rund um die artgerechte Hundehaltung in der Schweiz und Deutschland unterwegs. Sie ist gut gebucht und hat viel zu tun. Eigentlich eine ideale Situation für eine Freiberuflerin. Aber Ronja Dynamo fühlt sich zunehmend ausgepowert und müde. Denn es fällt ihr schwer, sich abzugrenzen, Nein zu sagen und zufrieden mit dem zu sein, was sie geleistet hat. Kaum ist eine Weiterbildung zu Ende, plant sie bereits auf dem Heimweg, was sie noch alles zu erledigen hat und sitzt nach einem anstrengenden Seminar bis weit in den Abend an der Auswertung und Weiterentwicklung der Unterrichtsplanung. Natürlich kann sie dabei die Berge von Arbeit, die sich auf ihrem Schreibtisch türmen, nicht ignorieren und beantwortet mindestens noch die eine oder andere Mail auch spät nachts.
Ihrem inneren Anteiber „Streng dich an!“ Folge leistend, gönnt sie sich nur wenig Erholung und Ruhepausen. Dabei ist ihr durchaus bewusst, dass wohl beim nächsten Seminar wieder dieses Gefühl von „Es reicht nicht! Mach es besser! Streng dich an!“ aufkommen wird und sie erneut Gefahr läuft, in die Überforderungsfalle zu tappen.
Unsere Erwartungen, Hoffnungen, Interessen, die Aussicht auf Belohnung – das alles und viel mehr treibt uns Menschen zum Handeln an. Manchmal aber zeigen wir Verhaltensweisen – siehe Beispiel Ronja Dynamo – die weder konstruktiv noch passend oder der Situation angemessen sind.
Wie viele unserer Verhaltensmuster entstehen auch die inneren Antreiber in der Kindheit. Es handelt es sich dabei um Überzeugungen und Ansprüche an uns selbst, die wir im Laufe unserer ersten Lebensjahre von Bezugspersonen gelernt und verinnerlicht haben.
Diese inneren Antreiber (ein Konzept aus der Transaktionsanalyse) funktionieren wie eine automatische Steuerung, die Denken, Fühlen, Handeln und Verhalten beeinflussen – im positiven wie auch im negativen Sinne.
Sie werden in fünf Kategorien unterschieden:
Sei perfekt!
Wenn dieser Antreiber übertrieben wird, geht es nicht mehr um das Erreichen eines hohen Standards, sondern darum, dass nichts gut genug ist. Man wird mit seinen Aufgaben nie fertig, denn es könnte ja noch irgendwo ein Fehler liegen, es könnte noch ein Detail besser geplant und perfekter gestaltet werden.
Positiv: Dieser Antreiber hilft uns bei Aktivitäten, die sorgfältiges Nachdenken und die Sorge ums Detail erfordern.
Mach es allen Recht!
„Sei liebenswürdig! Mach es Allen Recht! Gefalle den Anderen!“ sind Antreiber, die uns dauernd an anderen orientieren lassen. Wir wollen Zuwendung erhalten und Abweisung vermeiden. Durch Übertreibung des Antreibers können wir die eigenen Bedürfnisse nicht mehr angemessen wahrnehmen. Auf das Gegenüber können wir manipulativ und unaufrichtig wirken.
Positiv: Dieser Antreiber hilft uns, gute Beziehungen zu anderen Menschen zu pflegen.
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Sei stark!
„Beiss die Zähne zusammen, zeige keine Gefühle!“ sind die inneren Sätze, die zu diesem Antreiber gehören. Sind wir zu fest in diesem Antreiber, wirken wir kühl und abweisend oder werden als gleichgültig erlebt. Dieser Antreiber ist ein Aufruf dazu, alleine zurecht zu kommen, alles unter Kontrolle zu haben und eine Warnung davor, Gefühle zu zeigen.
Positiv: Der Antreiber hilft uns, unabhängig zu sein und uns auf uns selbst zu verlassen.
Mach schnell!
Beeinflusst uns dieser Antreiber zu stark und beeilen wir uns zu sehr, können wir andern gegenüber als sehr fordernd oder ungeduldig erscheinen. Wir neigen dann zu unüberlegten „Schnellschüssen“. Gespräche führen wir "zwischen Tür und Angel" – immer auf dem Sprung. Wichtige Informationen werden nicht ausgetauscht, Zeitnot wird als Schutz genutzt.
Positiv: Der Antreiber „Beeil dich, machh schnell!“ hilft, entscheidungsfreudig und effizient zu sein.
Streng dich an!
Mit dem Antreiber „Müh Dich bis zum Letzten ab!“ wollen wir für die bewältigten schwierigen Aufgaben belohnt werden. Leben wir diesen Antreiber zu intensiv, finden wir uns kämpfend, angespannt und von der Arbeit erdrückt. Das belastet und wirkt angestrengt und verkrampft gegen aussen.
Positiv: Der Antreiber hilft uns, Herausforderungen anzunehmen und wichtige Aufgaben anzugehen.
Einerseits motivieren die Antreiber uns, denn sie repräsentieren ja auch positive Eigenschaften wie Stärke, Genauigkeit, Freundlichkeit etc. und ermöglichen Erfolg und Selbstbestätigung – andererseits behindern sie uns auch.
Einengend wirken die Antreiber dann, wenn sie als unumstösslich aufgefasst und ohne Anpassung an die Situation befolgt werden (oder deren Befolgung von Anderen verlangt wird - zum Beispiel von Teilnehmenden in einem Kurs). Oder dann, wenn es kein Mass oder keinen Standard dafür gibt, wann etwas gut genug, schnell genug, stark genug oder liebenswert genug ist. Das „blinde“ Ausleben der Antreiber kann in Sackgassen führen.
Eine mögliche Strategie, die inneren Antreiber in der Balance zu halten ist, ihnen „Erlauber“ gegenüber zu setzen.
Innerer Antreiber: Sei perfekt!
Innerer Glaubenssatz: „Ich muss alles noch besser machen. Genug ist nicht genug!“
Erlauber: „Ich darf Fehler machen und aus ihnen lernen. Oft ist ein Resultat von 80% oder 90% perfekt genug!“
Innerer Antreiber: Mach es allen Recht!
Innerer Glaubenssatz: „Ich bin dann wertvoll, wenn alle mit mir zufrieden sind. Sage ich Nein, riskiere ich, abgelehnt zu werden.“
Erlauber: „Ich darf meine Bedürfnisse und meine Meinung ernst nehmen! Ich darf es auch mir selbst Recht machen!“
Innerer Antreiber: Sei stark!
Innerer Glaubenssatz: „Niemand darf es merken, wenn ich schwach oder ratlos bin. Gefühle zeigt man nicht. Gefühle sind ein Zeichen von Schwäche und machen verletzbar.“
Erlauber: „Ich darf offen sein für Zuwendung. Ich darf mir Hilfe holen und sie annehmen. Gefühle zu zeigen ist erlaubt und ein Zeichen von Stärke!“
Innerer Antreiber: Mach schnell!
Innerer Glaubenssatz: „ich muss alles rasch und sofort erledigen. Ich darf keine Zeit verschwenden! Ich muss multitasking sein!“
Erlauber: „Ich darf mir Zeit nehmen und auch Pausen machen. In der Ruhe liegt die Kraft!“
Innerer Antreiber: Streng dich an!
Innerer Glaubenssatz: „Ich muss mich immer anstrengen, egal wobei und egal, ob ich es schaffe!! Ohne Fleiss kein Preis!“
Erlauber: „Ich darf Spass an der Arbeit haben! Leichtigkeit im Tun ist ebenso wertvoll.“
Welchen Nutzen hat dieses Wissen rund um die inneren Antreiber für Ausbildende im Bereich Hundehaltung? Wenn sich die Kursleitung bewusst ist, welche inneren Antreiber ihr Tun in welcher Intensität beeinflussen, wirken diese nicht mehr unbewusst als Kriterien für Leistung und Verhalten in Ausbildungs- und/oder Coachingsituationen.
Es ist keine Schande, in bestimmten (Seminar)Situationen in Stress zu geraten. Das passiert auch erfahrenen
Ausbildnerinnen und Coaches. Die inneren Antreiber zu kennen und sich selbst gut wahrzunehmen hilft, wieder Zugang zur eigenen Spontanität und Souveränität zu finden. Eine gute Voraussetzung, um
den Ausstieg aus der Stress- und Antreiberdynamik nachhaltig zu schaffen.
Quellen/Literaturhinweise
- Harris, Thomas A.: „Ich bin ok, du bist ok. Eine Einführung in die Transaktionsanalyse“
- Risto, Karl-Heinz: „Konflikte lösen mit System. Mediation mit Methoden der Transaktionsanalyse.“
- Rüttinger, Rolf / Kruppa, Reinhold: „Übungen zur Transaktionsanalyse: Praxis der Transaktionsanalyse in Beruf und Organisationen“
- Stewart, Ian / Joines, Vann: „Die Transaktionsanalyse. Eine neue Einführung in die TA“
Esther Hufschmid, Geschäfts- und Ausbildungsleiterin cumcane familiari; Leiterin Hundeschule Hundart Luzern
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