Der "sechste Sinn" der Hunde
Die Kombination aus Beobachtungsgabe und Geruchssinn verleiht Hunden eine Fähigkeit, die uns zuweilen als sechster Sinn vorkommt. Und manchmal Leben rettet. Wie im Fall von Maureen und ihrem Hund Max.
Hunde können die flüchtigen Chemikalien wahrnehmen, die von Tumoren ausgehen. Entsprechend trainiert selektieren sie aus verschiedenen Urinproben zuverlässig die eines an Krebs erkrankten Menschen. Oder sie zeigen einem Diabetes-Patienten an, wenn dessen Blutzuckerspiegel "tief riecht" - lange bevor der Patient das selber spürt und eventuell unterzuckert in Ohnmacht fällt. Oder sie nehmen die frühesten Anzeichen eines drohenden anaphylaktischen Schocks, eines epileptischen oder narkoleptischen Anfalls wahr, so dass die Patienten rechtzeitig Massnahmen ergreifen können, um diese Anfälle zu verhindern. So verbessern und retten Hunde mit ihrer Beaobachtungsgabe und ihrem phänomenalen Geruchssinn überall auf der Welt das Lebenzahlreicher Menschen.
Collie-Mix Max ist der langjährige Gefährte von Maureen. Die beiden kennen sich sehr genau, Max weiss, wenn es gleich auf einen Spaziergang gehen wird, noch bevor Maureen aus ihrem Sessel aufsteht.
Vor einigen Jahren begann Max jedoch, sich von einen auf den anderen Tag merkwürdig zu verhalten. Er war ungewöhnlich still, als ob er jede Lebensfreude verloren hatte. Er mied Maureen, sprang nicht mehr auf ihren Schoss, um sich durchknuddeln zu lassen - bis anhin das tägliche Highlight für beide. Stattdessen lag er in Distanz zu ihr und liess sie nicht aus den Augen. Ab und zu sprang er auf das Sofa berührte mit seiner Schnauze ihre Brust und zog sich dann wieder zurück.
Maureen konnte sich nicht erklären, was mit ihrem sonst so fröhlichen, anhänglichen Hund plötzlich los war. War es möglich, dass er sich mit seinen neun Jahren bereits dem Ende seines Lebens näherte? Aber er schien keine Schmerzen zu haben, bewegte sich wie immer, frass wie immer und er erschien ihr auch nicht krank. Vor allem aber fragte sie sich, was das Anstupsen zu bedeuten hatte, und dass er ansonsten eine ungewöhnliche Distanz zu ihr hielt?
Und dann dämmerte es ihr. Max berührte sie immer wieder an der Stelle, an der sie in der Brust ein paar Tage zuvor eine Veränderung gespürt hatte. Da derlei Verhärtungen schon häufiger aufgetaucht und dann wieder verschwunden waren, hatte sie dem aber keine grosse Bedeutung beigemessen, zumal die letzte Mammografie ohne Befund gewesen war. Aber als Max sie wieder mit der Nase an genau dieser Stelle sanft anstiess und sie dabei ansah, da wusste sie plötzlich, dass da etwas nicht in Ordnung war. Sie ging zum Arzt. Und tatsächlich: Weder Ultraschall noch Mammografie ergaben einen Befund. Erst ein chirurgischer Eingriff förderte einen winzigen Tumor zutage. Die Biosie ergab: bösartig.
Als Maureen von dem Eingriff nach Hause zurückkehrte, bestätigte sich bereits bei Max' Begrüssung, dass sie mit ihrer Vermutung richtig gelegen hatte, was die unerklärliche Verhaltensänderung bei ihrem Hundes betraf: Max sprang auf ihren Schoss und liess sich ausgiebig durchknuddeln. Für beide das Highlight des Tages. "Ich verdanke Max mein Leben", sagt Maureen, "Und bevor ich heute für eine Kontrolle zu meinem Arzt gehe, lasse ich mich erst einmal von Max 'untersuchen'. Wenn er mit dem Schwanz wedelt und fröhlich ist, dann weiss ich, dass alles in Ordnung ist."
Martina Monti
Kommentar schreiben