Muss ein Hundetrainer auch Menschen mögen?
Sind gute Hundetrainer psychologisch versierte Pädagogen im Fachbereich Kynologie? Oder doch vielleicht eher Kynologen, die sich irgendwie auch für Menschen interessieren und gut erklären können? ccf-Ausbildungsleiterin Esther Hufschmid muss da gar nicht überlegen.
Noch nicht so lange her, da genügten ein Stück eingezäunte Wiese, ein Unterstand mit Stühlen, eine Thermoskanne Kaffee, Freude am Hund und die Überzeugung, anderen Menschen mit Hund etwas beibringen zu können – fertig war die Hundeschule. Dort ging man mit seinem Hund hin oder auch nicht, auf dem Programm standen „Sitz, Platz, Fuss, Bleib“ und Anleitungen, wie man den eigenen Alphastatus gegenüber dem Hund verteidigt. Verteidigte der wiederum bellend den Gartenzaun gegen Passanten, nun ja, selber schuld, müssen die Leute halt nicht so dicht am Zaun vorbeigehen, und was Hundehaufen am Feldrand anging, wo sollen sich die Vierbeiner denn bitte sonst erleichtern, wenn nicht im Grünen.
Woran sich bis heute nichts geändert hat: Jeder und jede kann sich Hundetrainer nennen, der Beruf ist nach wie vor staatlich nicht anerkannt. Diesem „Jekami“ steht jedoch eine zunehmend komplexe Realität gegenüber, die an Menschen mit Hund hohe Anforderungen stellt. Einerseits in Form von Verordnungen wie z.B. der Verpflichtung, den Sachkundenachweis zu absolvieren. Andererseits seitens der sozialen Umwelt, die immer dichter besiedelt ist und das Leben der Hundehalter nicht nur räumlich einengt. Aber auch die Halter selbst stellen höhere Ansprüche und zwar an den Hund und ihr Zusammenleben mit ihm: Er ist vom Gebrauchstier zum Sozialpartner geworden, aus der einst rein funktionale Beziehung zwischen Mensch und Hund ist eine emotionale Bindung geworden.
Was heisst das für die Hundeschulen? Konkret: was müssen Hundetrainerinnen und Hundetrainer angesichts dieser Entwicklungen an Fähigkeiten mitbringen, was müssen sie lernen, um gut zu sein? Dazu Antworten von Esther Hufschmid Geschäfts- und Ausbildungsleiterin von cumcane familiari.
Esther, wie würdest du die Aufgabe einer Hundetrainerin und eines Hundetrainers in einem Satz definieren?
Nachhaltiges Lernen für Mensch und Hund auf der Basis von Respekt und Wertschätzung zu gestalten.
Das hat nicht mehr viel mit der landläufigen Auffassung zu tun, dass der Hundetrainer, seiner Bezeichnung entsprechend den Hund trainiert.
Natürlich lernt nach wie vor auch der Hund in der Hundeschule dazu. Aber das ist nicht der primäre Fokus. In erster Linie geht es darum, dem Menschen zu helfen, seinen Hund möglichst gut in unser gesellschaftliches Umfeld einzufügen. Im Unterschied zu vor ein paar Jahren herrscht heute eine Nulltoleranz gegenüber „auffälligem“ Hundeverhalten. Und mit „auffällig“ sind nicht etwa Verhaltensprobleme gemeint, sondern das ganz normal hündisches Verhalten wie auf dem Balkon bellen, Vögeln hinterher jagen, den Garten gegen Fremde verteidigen oder einfach nur mal einen fremden Menschen beschnuppern. Die Bezugsperson von heute muss vorausschauend agieren, den Hund möglichst immer unter Kontrolle haben und unauffällig unterwegs sein.
Das heisst, wer zeitgemässes Hundetraining anbietet, muss nicht nur etwas von Hunden, sondern auch von Menschen verstehen?
Unbedingt. Viele Trainerinnen und Trainer konzentrieren sich auf den Hund. Das ist insofern problematisch, als Verhaltensmodifikationen beim Hund im Wesentlichen nur über seine Bezugsperson zu erzielen sind. Also muss ich zunächst einmal den Menschen ansprechen, um ihm das erforderliche Wissen zu vermitteln. Ohne Sozialkompetenz und didaktische Fähigkeiten ist das aber nicht möglich.
Wer in seinem Beruf erfolgreich sein will, sollte sich kontinuierlich weiterbilden, heisst es. Inwiefern gilt das auch für Hundetrainer?
Insofern als es in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse zum Wesen des Hundes gegeben hat. Und je mehr wir über den Hund wissen, desto besser können wir ihn verstehen und desto effektiver können wir mit arbeiten. Deshalb sind Lerntheorie, Kynologie und Ethologie als Grundlagen des modernen Hundetrainings auch unverzichtbar.
Die Bedeutung des Hundes für den Menschen hat sich ebenfalls markant verändert. Er ist vom Arbeitstier zum Sozialpartner geworden. Wie beeinflusst diese Veränderung die Arbeit der Hundeschulen?
Ich finde, es beeinflusst die Arbeit positiv. Durch die emotionale Bindung haben viele Menschen ein gutes Bauchgefühl entwickelt, was sie ihrem Hund zumuten wollen und was nicht. Sie weigern sich, ein Familienmitglied auf den Rücken zu drehen oder am Nacken zu schütteln und erwarten ein Training im partnerschaftlichen Umgang mit ihrem Hund.
cumcane familiari bildet auch Trainerinnen für Welpen und Junghunde* sowie Verhaltensberater aus, warum diese Spezialiserung?
Die Welpen- und Junghundezeit sind zwei ganz wichtige Phasen im Leben des Hundes, weil hier entscheidende Weichen dafür gestellt werden, wie der Hund mit der Umwelt zurecht kommen wird, aber auch für das Zusammenleben von Hund und Mensch. Sich hierauf zu spezialisieren, gibt einer Trainerin oder einem Trainer die Gelegenheit, ein Mensch-Hund-Team von der Babyzeit bis ins Erwachsenenalter begleiten zu können, und das macht grossen Spass.
Und woher kommt der gesteigerte Bedarf an Verhaltensberatung?
Die Verhaltensberatung bekommt einen immer wichtigeren Stellenwert, weil bedingt durch das zunehmend hundekritische Umfeld – mangelnde Toleranz gegenüber Hunden und Hundehaltenden wie auch strengere Gesetzgebung –heute viele arttypische Verhaltensweisen des Hundes nicht mehr akzeptiert werden.
Es geht also um ein Verhalten, das natürlicherweise von einem Hund gezeigt, aber von der sozialen Umwelt nicht gewünscht wird, wie löst ein Verhaltensberater diesen Zielkonflikt?
Das Verhalten einfach zu unterbinden, ist nicht die Lösung, weil die dahinter stehende Emotion oder Motivation damit ja nicht verschwindet. Anstatt also das Verhalten, zum Beispiel das Jagen von Vögeln, zu hemmen, wird dem Hund ein Alternativverhalten gelehrt. Dieses Alternativverhalten wird bedürfnisgerecht, beispielweise mit der „Jagd“ eines Dummies, belohnt.
Mit welchen Verhaltensauffälligkeiten haben Trainerinnen und Trainer denn am häufigsten zu tun, gibt es Tendenzen, die sich in den letzten Jahren verstärkt haben und warum?
Die Grenze, ab wann ein Verhalten als dysfunktional bezeichnet wird, ist fliessend und ein menschliches Konstrukt. Sie ist von daher also nicht immer einfach oder gar sinnvoll zu ziehen, zumal sich Problemverhalten ganz unterschiedlich äussern kann.
Deshalb geht es uns nicht in erster Linie darum, ein Verhalten als dysfunktional zu diagnostizieren, sondern zu analysieren, welche Funktion dieses Verhalten für den Hund hat, um daraus dann die Massnahmen für das Mensch-Hund-Team abzuleiten.
Was wäre denn konkret ein Lösungsansatz, wenn mein Hund beispielsweise zu Hause unruhig und immer in Bewegung ist? Immer etwas zum Tragen haben will und immer etwas los sein muss?
Wenn der Hund zu Hause nicht runterkommt, immer hibbelig ist, dann kann das darauf hindeuten, dass er keine ausreichenden Ruhephasen hat. Von daher macht es Sinn, sich die Lebensumstände des Hundes einmal genauer anzusehen. Hat er zu Hause Ruheplätze, die ihm auch wirklich Ruhe bieten? Eventuell muss eine Komfortzone aufgebaut werden, müssen Ruhezeiten ritualisiert und „angekündigt“ werden. Zum Beispiel mit einem optischen oder akustischen Dauersignal, also dem Auslegen einer bestimmten Decke oder dem Abspielen einer CD mit Entspannungsmusik. Ändert sich die Erregungslage mit diesen und weiteren Massnahmen nicht, dann sollte in Betracht gezogen werden, den Gesundheitszustandes des Hundes abzuklären.
Mit welchen Verhaltensthemen hast du in deiner Hundeschule vor allem zu tun?
Oft stehen Angst und Aggression, häufig gekoppelt mit hoher Erregungslage im Zentrum. Oder es geht um krankheits- und/oder schmerzbedingtes Problemverhalten.
Wir haben jetzt schon einiges über die Rolle der Trainerin und des Trainers gegenüber Hundehaltern und der Gesellschaft gesprochen. Worin siehst du ihre Verantwortung gegenüber dem Hund?
Gute Hundetrainer sind Anwälte und Dolmetscher des Hundes. Sie helfen, den Hund zu verstehen, setzen sich für seine Anliegen ein und unterstützen die Bezugsperson im artgerechten Umgang mit dem vierbeinigen Freund. Ein Hund, der artgerecht, und seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend gehalten, mit dem freundlich umgegangen wird, der bildet letztlich auch keine Gefahr für Menschen, Artgenossen und andere Tiere.
Wie gestaltet cumcane familiari die Ausbildung, damit die von euch zertifizierten Trainerinnen und Trainer dieser vielschichtigen Verantwortung gerecht werden?
Wir legen grossen Wert auf eine enge Lernbegleitung und achten auf einen guten Mix aus Theorie und Praxis. Denn für ein nachhaltiges Lernen ist die Anwendung des Gelernten, also das Tun entscheidend. Die Teilnehmenden lernen also, individuelle Situationen mit Mensch-Hund zu beobachten, Trainingsmassnahmen zu entwickeln und die Teams entsprechend zu beraten und dann auch zu begleiten.
Was war dein schönster oder vielleicht auch überraschendster Erfolg als Hundetrainerin?
Oh, schöne Momente gibt und gab es so viele. Aus dem letztes Jahr ist mir eine kleine Hündin aus dem Tierschutz mit ihrer Bezugsperson in lebendiger Erinnerung. Sehr viel war für die Kleine ziemlich gruselig und angstbesetzt. Das Training an sich war nicht spektakulär: eine klare Kommunikation mit Hilfe von Markersignalen seitens der Bezugsperson, Orientierung am erwünschten Verhalten der Hündin, Kleinschrittigkeit im Verhaltensaufbau. Der Zuwachs an Lebensqualität war für das Hundemädel in kurzer Zeit enorm. Es war sehr berührend zu sehen, wie schnell das Pfotenkind an Sicherheit gewonnen und zu neuer Lebensfreude gefunden hat. In solchen Situationen geht mir immer wieder das Herz auf!
*cumcane familiari ist der Überzeugung, dass Welpen und Junghunde nicht speziell – das heisst, nicht mit besonderen Trainingstechniken – trainiert werden müssen. Sie brauchen jedoch Lerngelegenheiten, die ihrem individuellen Entwicklungsstand angemessen sind. Hier setzt der Aufbaulehrgang „Welpen- und Junghundebegleitung cumcane familiari" an.
Im Lehrgang 3 Welpen- und Junghundeförderung mit Start Ende Mai 2016 hat es noch freie Plätze.
Bei Interesse melden Sie sich bitte via Mail info@cumcane-familiari.ch
Esther Hufschmid, Geschäfts- und Ausbildungsleiterin cumcane familiari, mit Nayeli- Meine Hunde heissen: Nayeli und Laska (im Herzen)
- Mein Motto im Umgang mit Hunden: mit Herz, Verstand und jeder Menge Spass
- Titel des Films, in dem mein Hund die Hauptrolle spielen würde: "Eine Heldin auf 4 Pfoten"
- Mein Lieblingsbuch zum Thema Hund: "Liebst du mich auch?" Die Gefühlswelt bei Hund und Mensch
von Patricia B. McConnell
- Was ich an meinem Hund besonders liebe/bewundere: ihre Neugier und ihren Mut
- Mein erster Hund: war ein Spitzmischling namens Mäx
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